21.05.2024
Hintergrund
In einem dreiköpfigen Aufsichtsrat ist das Gremium nicht beschlussfähig, wenn ein Mitglied einer Sitzung fernbleibt. Dies kann zur Funktionsunfähigkeit des Aufsichtsrats führen. Aktionäre können ein solches Mitglied jederzeit abberufen, auch ohne wichtigen Grund. Dies erfordert jedoch qualifizierte Mehrheiten, die gesetzlich oder satzungsmäßig festgelegt sind. Der Aufsichtsrat selbst kann bei Vorliegen eines wichtigen Grundes, wie dauerhaftem Fernbleiben, einen Antrag auf gerichtliche Abberufung stellen, sofern er beschlussfähig ist und die erforderlichen Mehrheiten vorliegen. Eine gerichtliche Ergänzung des Aufsichtsrats ist nur möglich, wenn das Gremium aufgrund Unterbesetzung über längere Zeit nicht beschlussfähig ist.
Entscheidung des BGH
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat entschieden, dass ein Aufsichtsratsmitglied, das die Arbeit des Gremiums durch Fernbleiben boykottiert, nicht einem ausgeschiedenen Mitglied gleichgesetzt werden kann. Diese Klarheit stellt jedoch die Praxis vor erhebliche Herausforderungen und kann die Gesellschaft handlungsunfähig machen.
Sachverhalt
In einer Aktiengesellschaft mit einem dreiköpfigen Aufsichtsrat blockierte ein Mitglied, das gleichzeitig nahe Verwandte eines der Aktionäre war, durch Fernbleiben die Beschlussfähigkeit des Gremiums. Dies machte die Gesellschaft handlungsunfähig, da der Vorstand für bestimmte Entscheidungen die Zustimmung des Aufsichtsrats benötigte.
Beschlussfähigkeit des Aufsichtsrats
Nach § 108 Abs. 2 Satz 2 AktG ist der Aufsichtsrat nur beschlussfähig, wenn mindestens die Hälfte der Mitglieder an der Beschlussfassung teilnimmt. Satz 3 legt jedoch zwingend fest, dass mindestens drei Mitglieder an der Beschlussfassung teilnehmen müssen. Somit kann ein einzelnes Mitglied die Beschlussfassung blockieren.
Abhilfemöglichkeiten in der Praxis
1. Abberufung durch die Hauptversammlung
Ein Aufsichtsratsmitglied kann jederzeit durch die Hauptversammlung abberufen werden (§ 103 Abs. 1 AktG). Dies erfordert jedoch oft eine Dreiviertelmehrheit der Stimmen, was in vielen Fällen eine unüberwindbare Hürde darstellt.
2. Antrag auf gerichtliche Abberufung
Ein wichtiger Grund kann die gerichtliche Abberufung eines Aufsichtsratsmitglieds rechtfertigen (§ 103 Abs. 3 AktG). Dies setzt jedoch einen beschlussfähigen Aufsichtsrat voraus, was bei Blockade durch Fernbleiben problematisch ist.
3. Gerichtliche Ergänzung bei Unterbesetzung
Ein Antrag auf gerichtliche Ergänzung des Aufsichtsrats kann gestellt werden, wenn das Gremium dauerhaft unterbesetzt ist (§ 104 Abs. 1 AktG). Der BGH hat jedoch klargestellt, dass dauerhafte Abwesenheit nicht mit dem Ausscheiden eines Mitglieds gleichzusetzen ist.
Praktische Auswirkungen der BGH-Entscheidung
Die Entscheidung des BGH schafft zwar Klarheit, lässt jedoch betroffene Gesellschaften in schwierigen Situationen zurück. Oftmals sind die Machtverhältnisse in einem Unternehmen so ausbalanciert, dass jede Störung der Balance substanziellen Streit und Schaden verursacht.
Konfliktvermeidung
Es ist ratsam, bereits in der Satzung oder in Aktionärsvereinbarungen Regelungen zu treffen, die das Fernbleiben eines Aufsichtsratsmitglieds und die daraus resultierende Blockade verhindern. Dies könnte beispielsweise das Recht bestimmter Aktionäre oder Aktionärsgruppen umfassen, ein boykottierendes Mitglied abzuberufen.
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(BGH, Beschluss vom 9.1.2024, II ZB 20/22)
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