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Vertretung von Unternehmen in Gerichtsverfahren

Unternehmen werden auch in Gerichtsverfahren durch ihre Geschäftsführer vertreten. Diese beauftragen in der Regel einen Anwalt mit der Vertretung. Doch was passiert, wenn eine GmbH keinen Geschäftsführer hat? Oder wenn ein solcher nur im Handelsregister eingetragen, aber nicht wirksam bestellt ist? Und wer muss bei einer juristischen Person (GmbH, UG) vor Gericht erscheinen, wenn das Gericht das persönliche Erscheinen der Parteien angeordnet hat?

Grundsatz: Vertretung durch den oder die Geschäftsführer

Unternehmen werden bei Rechtshandlungen von ihren Geschäftsführern vertreten (§ 35 GmbHG). Das gilt auch in Gerichtsverfahren. In einer Klage gegen eine GmbH oder UG ist daher der Geschäftsführer als deren gesetzlicher Vertreter anzugeben (§ 130 Nr. 1 ZPO).

Anwälte sind nicht in jedem Gerichtsverfahren erforderlich

Soweit bei Gericht kein Anwaltszwang besteht – wie bei Amts- und Arbeitsgerichten – können Geschäftsführer die Gesellschaft ohne Anwalt vertreten. Insbesondere vor Arbeitsgerichten kommt dies bei kleinen mittelständischen Unternehmen häufig vor. In der Praxis beauftragen Geschäftsführer jedoch wegen des erforderlichen juristischen Sachverstands oft eine Anwaltskanzlei.

Anordnung des persönlichen Erscheinens

Immer wieder Fragen wirft die Vertretung auf, wenn das Gericht das persönliche Erscheinen der Parteien gemäß § 141 ZPO anordnet. Bei Personengesellschaften sind die Gesellschafter verpflichtet, vor Gericht zu erscheinen. Bei juristischen Personen wie einer GmbH oder UG trifft die Pflicht zum persönlichen Erscheinen die Gesellschaft selbst, die dann durch den Geschäftsführer vertreten wird.

Ordnungsgeld bei unentschuldigtem Nichterscheinen

Erscheint der Geschäftsführer trotz Anordnung des persönlichen Erscheinens nicht, kann das Gericht ein Ordnungsgeld verhängen. Dieses kann nur gegen die Gesellschaft, nicht gegen den Geschäftsführer persönlich, angeordnet werden (LArbG Schleswig-Holstein, Beschluss v. 18.2.2015, 5 Ta 27/15). Die Verhängung des Ordnungsgeldes ist rechtswidrig, wenn die geladene Partei ihr Ausbleiben genügend entschuldigt oder einen Vertreter entsendet, der zur Aufklärung des Sachverhalts in der Lage und zum Abschluss eines Vergleichs ermächtigt ist (§ 141 Abs. 3 ZPO).

Option Videokonferenz

Die Möglichkeit der Teilnahme an der Gerichtsverhandlung per Videokonferenz gemäß § 128a Abs. 1, 2 ZPO kann die Situation für zeitlich stark belastete Geschäftsführer entschärfen. Die Entscheidung darüber liegt jedoch im Ermessen des Gerichts. Eine Ablehnung der Teilnahme per Videokonferenz ist kein genügender Entschuldigungsgrund für das Nichterscheinen vor Gericht (LSG München, Beschluss v. 25.4.2022, L 2 AL 62/22).

Problem der führungslosen Gesellschaft

Interessant wird es, wenn eine Gesellschaft, z. B. eine GmbH, führungslos ist und keinen Geschäftsführer mehr hat. In der Vergangenheit wurde die Führungslosigkeit häufig zur „kalten Liquidation“ von GmbHs ausgenutzt, indem die Geschäftsanteile ständig übertragen und/oder der Sitz der Gesellschaft verlegt wurde und die Geschäftsleitung ständig wechselte oder das Amt niederlegte und die Gesellschaft führungslos zurückließ. Dem wollte der Gesetzgeber mit Regelungen entgegenwirken, die mit dem MoMiG Ende 2008 eingeführt wurden.

GmbH ohne Geschäftsführer ist nicht prozessfähig

Seit einer Entscheidung aus dem Jahr 2010 hält der BGH daran fest, dass eine GmbH ohne Geschäftsführer nicht prozessfähig ist (BGH, Urteil v. 25.10.2010, II ZR 115/09). Dies ändert auch die Einführung von § 35 Abs. 1 Satz 2 GmbHG nicht, wonach die GmbH von ihren Gesellschaftern gesetzlich vertreten wird, wenn ihr gegenüber Willenserklärungen abzugeben oder Schriftstücke zuzustellen sind. Dies reicht jedoch nicht für eine umfängliche Prozessfähigkeit.

Auch die Eintragung eines Geschäftsführers im Handelsregister führt nicht zur Prozessfähigkeit der GmbH, wenn die eingetragene Person nicht wirksam als Geschäftsführer bestellt ist. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die fehlende Geschäftsführerstellung offen gelegt wurde und die andere Partei nicht mehr gutgläubig ist.

Ausweg: Bestellung eines Notgeschäftsführers

Schutzlücken entstehen durch dieses Urteil nicht. Die fehlende Prozessfähigkeit kann durch die Bestellung eines Notgeschäftsführers oder Prozesspflegers überwunden werden. Dies kann das Gericht anordnen.

In der Praxis ist die Bestellung eines Notgeschäftsführers unter analoger Anwendung des § 29 BGB jedoch nicht unproblematisch, denn sie setzt Dringlichkeit voraus. Das OLG Karlsruhe hat die Dringlichkeit im Falle der Führungslosigkeit einer GmbH zwei Jahre nach dem Tod des geschäftsführenden Gesellschafters angenommen, weil der Gesellschaft erheblicher Schaden drohte (OLG Karlsruhe, Beschluss v. 27.4.2022, 1 W 71/21).

Nur der Gesetzgeber kann die Gesetzeslücke schließen

Der Gesetzgeber sollte überlegen, ob Geschäftsführer und Gesellschafter, die eine GmbH führungslos zurücklassen, stärker in die Pflicht genommen werden sollten. Obwohl Geschäftsführer ihr Amt nicht zur Unzeit niederlegen dürfen und Gesellschafter zur Bestellung eines qualifizierten Geschäftsführers verpflichtet sind, drohen bei Nichterfüllung Schadensersatzansprüche der Gesellschaft und ggf. der Gläubiger.

Narrenfreiheit genießen solche Geschäftsführer und Gesellschafter heute nicht mehr. Der BGH hat klargestellt, dass er auch vor einer Inanspruchnahme auf Basis des § 826 BGB (vorsätzliche sittenwidrige Schädigung) nicht zurückschreckt, was auch bei einer kalten Liquidation zutreffen kann.

 

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Markus Jansen

Markus Jansen