Der Bundesgerichtshof (BGH) hat mit Urteil vom 18.06.2025 – VIII ZR 291/23 klargestellt, dass die Geltendmachung einer Nutzungsentschädigung nach § 546a Abs. 1 BGB voraussetzt, dass der Mieter die Mietsache nach Mietende dem Vermieter vorenthält. Maßgeblich ist hierbei, dass das Unterlassen der Rückgabe dem Willen des Vermieters zuwiderläuft. Fehlt es am sogenannten Rückerlangungswillen des Vermieters, etwa weil dieser subjektiv vom Fortbestand des Mietverhältnisses ausgeht, scheidet ein Anspruch auf Nutzungsentschädigung aus.
Im Streitfall hatten die Parteien im Jahr 2016 einen Mietvertrag über Wohnraum geschlossen und gegenseitig für 60 Monate auf eine ordentliche Kündigung verzichtet. Dennoch kündigte der Mieter bereits im Mai 2017 und entfernte sich ab Februar 2018 weitgehend aus der Wohnung, ließ aber diverse Gegenstände zurück. Der Vermieter kündigte im September 2018 seinerseits wegen Zahlungsverzugs außerordentlich und forderte die Rückgabe der Wohnung. Eine tatsächliche Rückgabe erfolgte am 15.10.2018 per Schlüsselübergabe. Der Mieter klagte u.a. auf Rückzahlung der geleisteten Kaution, der Vermieter rechnete mit einer vermeintlichen Nutzungsentschädigung auf.
Der BGH bestätigt die Vorinstanzen, wonach es bereits an einer „Vorenthaltung“ im Sinne des § 546a BGB mangelte, weil dem Vermieter der erforderliche Rückerlangungswille fehlte. Solange der Vermieter – sei es irrig oder nicht – vom Fortbestand des Mietverhältnisses ausgeht, ist sein Wille eben nicht auf die Rückgabe der Mietsache gerichtet. Kritik an dieser Rechtsprechung, wonach sie das Risiko im Streit um die Wirksamkeit einer Kündigung zu Unrecht zulasten des Vermieters verschiebe, weist der BGH ausdrücklich zurück. Die bestehenden Unsicherheiten im Rahmen eines Kündigungsstreits träfen beide Parteien gleichmäßig und sollten auch beiden zur Last fallen. Hat sich die Kündigung als unwirksam erwiesen, bleibt es beim Anspruch auf die vertragliche Miete – ist sie wirksam, entfällt sowohl die Miete als auch die Nutzungsentschädigung ab Beendigung des Mietverhältnisses.
Praxishinweis
Die Entscheidung entspricht der herrschenden Meinung und verdeutlicht, dass der Vermieter das Risiko trägt, wenn er im Irrtum den Fortbestand des Mietverhältnisses annimmt und sich erst später auf eine Nutzungsentschädigung berufen will. Vermietern ist daher dringend anzuraten, sich frühzeitig und eindeutig über den Status des Mietverhältnisses zu vergewissern und gegebenenfalls die Rückgabe ausdrücklich und rechtzeitig zu verlangen. Dem Mieter obliegt keine Pflicht zur aktiven Nutzung der Wohnung. Ein Verzicht des Vermieters auf die Rückgabe kann sich insbesondere aus eigenem Handeln oder Fehlannahmen ergeben und verschließt später die Berufung auf eine Vorenthaltung.
Bewertung
Die Entscheidung schafft Klarheit zugunsten der Rechtssicherheit und bietet eine sachgerechte Lastenverteilung. Sie reiht sich folgerichtig in die bisherige ständige Rechtsprechung des BGH ein und verdient, trotz vereinzelter Kritik aus Literatur und Praxis, uneingeschränkte Zustimmung.
Jens Schulte-Bromby