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Untreue im Bankgeschäft: Zwischen Risiko, Verantwortung und Strafbarkeit
Schadensberechnung bei Kreditentscheidungen nach § 266 StGB

Im Bankensektor stehen Verantwortliche häufig vor der Frage, wann riskante Kreditentscheidungen lediglich zum unternehmerischen Alltag gehören – und wann hieraus strafrechtliche Risiken, insbesondere im Hinblick auf Untreue gemäß § 266 StGB, erwachsen.

Ein praxisrelevanter Kernpunkt ist die korrekte Schadensberechnung: Wann begründet eine unvertretbare Kreditvergabe tatsächlich einen Vermögensnachteil, der strafrechtlich relevant wird?

1. Schadensbegriff bei Untreue: Das Prinzip der Gesamtsaldierung

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist entscheidend, ob das Vermögen des Kreditinstituts durch die pflichtwidrige Kreditvergabe im Zeitpunkt der Auszahlung (ex ante) gemindert wird. Maßgeblich ist also die wirtschaftliche Momentaufnahme bei Krediterteilung, nicht ein erst später eintretender Kreditausfall.

Der Vermögensnachteil entsteht nur, wenn der Rückzahlungsanspruch bereits zum Zeitpunkt der Kreditgewährung minderwertig ist – beispielsweise weil keine verlässlichen Sicherheiten bestehen oder die tatsächliche Rückzahlungsfähigkeit des Kreditnehmers falsch eingeschätzt wurde. Hierzu werden die Höhe des Anspruchs, die Bonität des Schuldners und der Wert bestellter Sicherheiten betrachtet.

Wichtige Leitsätze der Rechtsprechung:

Die Werthaltigkeit des Rückzahlungsanspruchs bestimmt sich nach Bonität und Sicherheiten.

Ein Minderwert kann durch bestellte, werthaltige Sicherheiten kompensiert werden.

Spätere Einzelwertberichtigungen oder Abschreibungen sind lediglich Indizien, jedoch kein abschließender Beweis für einen Vermögensschaden im Sinne des § 266 StGB.

2. Risiko gehört zum Kreditgeschäft – Aber: Grenzen der Strafbarkeit

Das Eingehen wirtschaftlicher Risiken ist im Bankwesen ausdrücklich zulässig. Der Abschluss eines riskanten Geschäfts erfüllt für sich genommen nicht den Straftatbestand der Untreue. Erst wenn die Grenzen kaufmännischer Sorgfalt überschritten oder offensichtlich unvertretbare Risiken eingegangen werden, kann die Schwelle zur Strafbarkeit überschritten sein.

Es gilt, Risiken, Sicherheiten und die Tragfähigkeit der geschlossenen Vereinbarungen einer umfassenden Gesamtbetrachtung zu unterziehen. Auch die Sicherheitenlage – einschließlich deren Realisierbarkeit – ist in die Bewertung einzubeziehen.

Der Bundesgerichtshof hat mehrfach klargestellt, dass nicht jedes wirtschaftliche Risiko eine Strafbarkeit begründet. Entscheidend ist, ob das Kreditinstitut bei der Vergabe den für Wirtschaftsgeschäfte üblichen Sorgfaltsmaßstab eingehalten und dokumentiert hat.

3. Einzelwertberichtigungen und Abschreibungen: Keine automatische Strafbarkeit

Einzelwertberichtigungen und später vorgenommene Forderungsabschreibungen stellen keine automatische strafrechtliche Relevanz dar. Maßgeblich bleibt der Zeitpunkt der Kreditgewährung und die damalige Informations- sowie Sicherheitenlage.

Entscheidend ist, ob bei objektiver Betrachtung zur Zeit der Kreditvergabe die Rückzahlung als realistisch und der Anspruch werthaltig waren. Wertberichtigungen sind vielmehr Ausdruck einer aktuellen Risikoeinschätzung, nicht zwingend Indiz für einen ursprünglichen Vermögensnachteil.

4. Praxishinweise für Kreditinstitute und Entscheidungsträger

Dokumentation: Sorgfältige Protokollierung der Bonitätsprüfung, Bewertung von Sicherheiten und Entscheidungsgrundlagen ist essentiell.

Sicherungskonzepte: Realistische, werthaltige Sicherheiten und klare Sanierungsstrategien schützen vor dem Vorwurf der Untreue.

Eigenverantwortung: Ein riskantes Kreditgeschäft ist nur dann strafbar, wenn evident unvertretbare Risiken eingegangen werden und die Grenzen kaufmännischer Vorsicht überschritten wurden.

Der § 266 StGB schützt das Vermögen des Kreditgebers, ohne unternehmerische Entscheidungen oder wirtschaftlich vertretbare Risiken zu pönalisieren. Verantwortungsbewusstes Handeln, das auf sachgerechter Prüfung beruht, ist ausdrücklich erlaubt.

Fazit

Im Kreditgeschäft ist nicht jeder risikobehaftete Kredit gleichbedeutend mit einer Untreuehandlung. Die Strafbarkeit setzt voraus, dass eine Kreditentscheidung ex ante unwirtschaftlich und sorgfaltspflichtwidrig war – etwa durch fehlende oder wertlose Sicherheiten, falsche Bonitätseinschätzungen oder Überschreiten des durch unternehmerische Verantwortung gezogenen Rahmens. Dokumentation und nachvollziehbare Risikoanalysen sind hier der wirksamste Schutz.

 

Haben Sie Fragen zur Untreuestrafbarkeit im Kreditbereich, zur Schadensberechnung oder wünschen eine Compliance-Beratung?

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Markus Jansen

Markus Jansen