BGH, Urteil vom 6. August 2025 – VIII ZR 250/23
Sachverhalt:
Die Klägerin war Mieterin einer Eigentumswohnung in einem Mehrfamilienhaus in Solms. Die Beklagte war Vermieterin und zugleich Mitglied der Wohnungseigentümergemeinschaft. Der Winterdienst auf den zum gemeinschaftlichen Eigentum gehörenden Gehwegen wurde von einer GmbH als professionellem Hausmeisterdienst im Auftrag der Eigentümergemeinschaft ausgeführt. Im Januar 2017 stürzte die Klägerin an einem nicht vom Eis befreiten Morgen auf dem zum Haus führenden Weg und zog sich erhebliche Verletzungen zu, die langwierige Folgebehandlungen notwendig machten.
Bisheriger Prozessverlauf:
Das Amtsgericht hat der Klage der Mieterin auf Zahlung eines angemessenen Schmerzensgeldes in Höhe von 12.000 Euro nebst Zinsen und vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten teilweise stattgegeben. Im Berufungsverfahren vor dem Landgericht wurde die Klage hingegen vollständig abgewiesen. Das Landgericht vertrat die Auffassung, dass mit der Übertragung der Räum- und Streupflicht auf einen professionellen Hausmeisterdienst eine Haftung der beklagten Vermieterin nur dann in Betracht komme, wenn sie Kontroll- und Überwachungspflichten gegenüber dem Dienstleister verletzt habe. Anhaltspunkte hierfür lägen jedoch nicht vor.
Entscheidung:
Der Bundesgerichtshof hat auf die Revision der Klägerin das Urteil des Landgerichts aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung zurückverwiesen. Nach Auffassung des VIII. Zivilsenats ergibt sich aus dem Mietvertrag eine Pflicht der Beklagten, die auf dem Grundstück befindlichen Wege in den Wintermonaten zu räumen und zu streuen. Diese Verpflichtung besteht auch dann, wenn der Vermieter lediglich Mitglied einer Wohnungseigentümergemeinschaft ist und nicht Alleineigentümer des Grundstücks. Eine Einschränkung des mietvertraglichen Schutzes ist weder sachlich noch rechtlich gerechtfertigt. Eine abweichende Vereinbarung zwischen den Parteien, wonach die Räum- und Streupflicht auf die Klägerin übertragen worden wäre, lag nach den Feststellungen des Gerichts nicht vor.
Zur Erfüllung der sich aus dem Mietvertrag ergebenden Verkehrssicherungspflichten kann sich der Vermieter eines Dritten als Erfüllungsgehilfen bedienen. Im vorliegenden Fall hatte die Vermieterin die GmbH im Rahmen der gebildeten Wohnungseigentümergemeinschaft beauftragt. Der Vermieter haftet jedoch für ein Verschulden des beauftragten Dienstleisters gemäß § 278 BGB wie für eigenes Verschulden. Entsprechend ist die Beauftragung eines externen Unternehmens nicht geeignet, die Haftung des Vermieters gegenüber dem Mieter auszuschließen.
Anmerkung:
Die Entscheidung hebt noch einmal hervor, dass der Vermieter einer Eigentumswohnung grundsätzlich für die ordnungsgemäße Erfüllung der Verkehrssicherungspflichten auf gemeinschaftlichen Flächen einzustehen hat. Die Übertragung der praktischen Durchführung des Winterdienstes auf einen Hausmeisterdienst entbindet ihn nicht von seiner Verantwortung gegenüber dem Mieter. Für Mieter einer Eigentumswohnung ist damit ein unverändert hohes Schutzniveau gewährleistet, unabhängig von der eigentumsrechtlichen Zuordnung der benutzten Flächen. Nur eine ausdrücklich und klar im Mietvertrag getroffene abweichende Regelung könnte zu einer abweichenden Verantwortungsverteilung führen.
Bei weiteren Fragen zur Umsetzung mietvertraglicher Verkehrssicherungspflichten oder zu Haftungsfragen im Wohnungseigentum stehen wir Ihnen jederzeit gerne zur Verfügung.
Jens Schulte-Bromby