Problem/Sachverhalt
Im vorliegenden Fall wandte sich ein Wohnungseigentümer mit einer Anfechtungsklage gegen mehrere, im Rahmen einer Eigentümerversammlung gefasste Sanierungsbeschlüsse. Kernaussage des Klägers war, dass die Beschlussfassung nicht ausreichend vorbereitet gewesen sei, da entgegen der vielfach anerkannten Praxis keine drei Vergleichsangebote für die Arbeiten eingeholt worden waren. Konkret ging es um die energetische Sanierung der südlichen Fassade mit einem Gesamtvolumen von über 30.000 €, wodurch jeder der drei Wohnungseigentümer mit gut 10.000 € beteiligt gewesen wäre. Lediglich ein Angebot war der Einladung zur Versammlung beigefügt; ein weiteres Angebot folgte innerhalb der Einladungsfrist, wurde aber später erst per E‑Mail übermittelt. Eine weitere Firma hatte nach Durchführung mehrerer Ortstermine letztlich kein Angebot abgegeben.
Entscheidung
Das AG Hamburg hat die Anfechtungsklage abgewiesen.
Zwar erkennen viele Gerichte in ständiger Rechtsprechung an, dass aus Gründen der ordnungsgemäßen Verwaltung und zur Sicherung des Gebots der Wirtschaftlichkeit grundsätzlich drei Vergleichsangebote eingeholt werden sollen. Damit soll Wohnungseigentümern die Möglichkeit gegeben werden, die unterschiedlichen technischen Lösungen und Kosten zu vergleichen, um so eine sachgerechte Auswahlentscheidung zu treffen, die auch einer nachhaltigen Sanierung Rechnung trägt.
Nach Auffassung des AG Hamburg ist aber das starre Festhalten an einer Mindestzahl von drei Angeboten schon deshalb zweifelhaft, weil Wohnungseigentümer nicht verpflichtet seien, das preisgünstigste Angebot zu wählen – vielmehr besteht ein weiter Ermessensspielraum, der auch andere Aspekte wie die Zuverlässigkeit eines Unternehmens oder Erfahrungen aus der Vergangenheit umfassen kann. Das Gericht verweist zudem auf den mit einem Gutachten belegten und damit technisch abgesicherten Sanierungsbedarf. Gerade in solcher Konstellation – ein bestehender und belegter Sanierungsbedarf – dürfe die Mehrheit nicht dadurch blockiert werden, dass formale Angebotsanforderungen dem Handeln entgegengehalten werden.
Für die ausreichende Beschlussvorbereitung komme es entscheidend auf die Gesamtumstände des Einzelfalls an: Auftragsvolumen, Relevanz der Maßnahmen für die Gemeinschaft, Bemühungen um weitere Angebote (inklusive Absagen nach erteilten Anfragen) sowie bestehendes Vertrauen in das ausführende Unternehmen. Hier sei zu berücksichtigen, dass zwar die Schwelle von 30.000 € erreicht sei, aber eine dritte Firma trotz mehrfacher Ortstermine kein Angebot abgegeben habe. Die Eigentümer hatten folglich nur auf zwei Angebote – jeweils in ähnlicher Höhe – zurückgreifen können. Dies genüge unter den vorliegenden Umständen.
Auch musste – entgegen des BGH (IMR 2020, 243) zum alten Recht – nicht zwingend jedes Angebot mit Einhaltung der verlängerten Einladungsfrist von nun drei Wochen übersandt werden; es genügt, wenn die Eigentümer mit den vorhandenen Informationen sachgerecht entscheiden können. Die dem Gutachten zugrunde liegenden erheblichen Fassadenschäden stützten zusätzlich die Notwendigkeit der Maßnahme, sodass auch das hohe Auftragsvolumen dem nicht entgegenstand.
Praxishinweis
Das Urteil verdeutlicht erneut, dass das Einholen von drei Vergleichsangeboten nicht zwingende Voraussetzung einer wirksamen und ordnungsgemäßen Beschlussfassung der Wohnungseigentümergemeinschaft ist. Vielmehr sind die tatsächlichen Umstände des Einzelfalls und die Bemühungen der Verwaltung zu würdigen. Der BGH (Urteil vom 10.02.2023 – V ZR 246/21, Rz. 15) hat ausdrücklich anerkannt, dass das Fehlen von Angeboten trotz ernsthafter Bemühungen die ordnungsgemäße Vorbereitung nicht zwingend hindert. Ein starres „Drei-Angebote-Prinzip“ existiert nicht. Maßgeblich bleibt, dass die Eigentümer eine tragfähige Entscheidungsgrundlage vorfinden – insbesondere bei technisch abgesicherten Sanierungsbedarfen.
Fazit: Die Entscheidung bietet Unterstützung für die Verwaltungspraxis – insbesondere dann, wenn auch nach nachweislichen Bemühungen keine drei Angebote eingeholt werden können, aber der Sanierungsbedarf belegt und fachlich abgesichert ist. Diese Linie entspricht auch der aktuellen Rechtsprechung zum Wohnungseigentumsrecht.
Jens Schulte-Bromby