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Mietzahlungspflicht im Lockdown - BGH: Es kommt auf den Einzelfall an

In einer lange mit Spannung erwarteten Entscheidung hat der BGH nun entschieden, dass im Falle einer behördlich angeordneten Schließung von Geschäftsräumen, wie sie im Einzelhandel während des sog. ersten Lockdowns aufgrund der Covid-19-Pandemie angeordnet wurden, Gewerbemieter grundsätzlich einen Anspruch auf Anpassung der Miete wegen einer „Störung der Geschäftsgrundlage“ haben können.

Das OLG Dresden hatte als Berufungsgericht in der Sache entschieden, dass die behördlich angeordnete Schließung allein und damit die faktische Nicht-Nutzbarkeit der Mietsache – ohne weitere Prüfung der sonstigen Umstände – dazu führe, dass der Mieter nur die Hälfte der Miete zahlen müsse. Dem ist der BGH nun entgegengetreten und hat diese Entscheidung als rechtfehlerhaft bewertet und den Rechtsstreit an das OLG Dresden zur erneuten Verhandlung zurückverwiesen.

Es kommt auf den Einzelfall an:

Auch der BGH hält eine Anpassung der Mietzahlungspflicht nach den Grundsätzen der Störung der Geschäftsgrundlage für möglich. Es komme aber stets auf den Einzelfall an.

Zwar sei aufgrund der vielfältigen Maßnahmen zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie wie Geschäftsschließungen, Kontakt- und Zugangsbeschränkungen und der damit verbundenen massiven Auswirkungen auf das gesellschaftliche und wirtschaftliche Leben in Deutschland während des ersten Lockdowns im Frühjahr 2020 Fall die sogenannte „große Geschäftsgrundlage“ betroffen. Darunter versteht man die Erwartung der vertragschließenden Parteien, dass sich die grundlegenden politischen, wirtschaftlichen und sozialen Rahmenbedingungen eines Vertrags nicht ändern und die Sozialexistenz nicht erschüttert werde. Damit sei jedoch nur die tatsächliche Voraussetzung des § 313 Abs. 1 Satz 1 BGB einer schwerwiegenden Störung der Geschäftsgrundlage erfüllt.

Hinzukommen und geprüft werden müsse nach Auffassung des BGH jedoch, ob dem Mieter darüber hinaus ein Festhalten am unveränderten Vertrag nicht zugemutet werden könne. Nach Auffassung des BGH bedarf es daher einer umfassenden Abwägung, bei der sämtliche Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen sind. Eine pauschale Betrachtungsweise, wie sie das OLG Dresden vorgenommen habe, werde den Anforderungen an dieses normative Tatbestandsmerkmal der Vorschrift des § 313 Abs. 1 BGB nicht gerecht und komme daher nicht in Betracht.

Der BGH stellte klar, dass bei der umfassenden und auf den Einzelfall bezogenen Abwägung zunächst zu prüfen sei, welche Nachteile den Mieter durch die Geschäftsschließung und deren Dauer entstanden seien. Diese seien beim gewerblichen Mieter primär an einem konkreten Umsatzrückgang für die Zeit der Schließung abzulesen. Zu berücksichtigen sei ferner, welche Maßnahmen der Mieter ergriffen habe oder hätte ergreifen können, um drohende Verluste während der Geschäftsschließung jedenfalls zu mindern.

Daneben sind nach Auffassung des BGH in die Gesamtbewertung grundsätzlich auch finanzielle Vorteile einzustellen, die der Mieter aus staatlichen Leistungen zum Ausgleich der pandemiebedingten Nachteile erlangt hat. Auch Leistungen aus einer einstandspflichtigen Betriebsversicherung des Mieters sind nach Auffassung des Gerichts zu berücksichtigen. Auf der anderen Seite sind bei der gebotenen Abwägung der widerstreitenden Interessen auch die Interessen des Vermieters in den Blick zu nehmen, der auf die vollständige Mietzahlung des Mieters grundsätzlich vertrauen durfte.

Rechtsanwalt Schulte-Bromby bewertet die Entscheidung wie folgt:

„Die Entscheidung des BGH gibt wichtige Leitlinien vor, wie die Frage der Mietzahlungspflicht in der Zeit behördlich angeordneter Betriebsschließungen zu bewerten ist. Die Vorinstanz wollte eine eher holzschnittartige Lösung, ohne Bewertung der Umstände im Einzelfall. Dies hätte zwar zu einer leichteren Handhabbarkeit und Lösung dieser Fälle geführt. Dem hat der BGH indes eine klare Absage erteilt.“ 

Bei der Bewertung der Frage, ob der Mieter während der Zeit des Lock-Downs möglicherweise nicht verpflichtet war, die vollständige Miete zu bezahlen, sind alle Umstände zu berücksichtigen und in eine Gesamtbewertung einzustellen. Wir helfen Mietern und Vermietern gerne, mit der jeweils anderen Vertragspartei auf dieser Grundlage vernünftige Lösungen zu verhandeln aber auch berechtigte Forderungen durchzusetzen.

Rufen Sie uns an  (0 21 31) 66 20 20

Ihr Ansprechpartner

Jens Schulte-Bromby, LL.M.

Jens Schulte-Bromby, LL.M.