Das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 28. Juli 2020 zur Vorfälligkeitsentschädigung bei Verbraucherdarlehen dürfte für ein lachendes und ein weinendes Auge sorgen – sowohl bei den Banken als auch bei den Verbrauchern (Az.: XI ZR 288/19).
Eine Bank muss dem Verbraucher bei Abschluss eines Darlehensvertrags verschiedene Pflichtinformationen erteilen. Dazu muss sie auch die Methode zur Berechnung einer Vorfälligkeitsentschädigung darlegen. Stellt die Bank die Berechnungsmethode fehlerhaft dar, erlischt ihr Anspruch auf eine Vorfälligkeitsentschädigung, entschied jetzt der BGH.
„Das bedeutet, dass der Verbraucher im Falle einer vorzeitigen Ablösung des Darlehens keine Vorfälligkeitsentschädigung an die Bank zahlen muss, wenn diese die Berechnungsmethode nicht richtig erläutert hat“, sagt Rechtsanwalt Markus Jansen, Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht in Neuss.
Die Kehrseite ist jedoch: Auf die Widerrufsfrist hat die fehlerhafte Belehrung keine Auswirkung. „Der Widerruf kann also nicht noch Jahre nach Abschluss des Kreditvertrags mit der Begründung erklärt werden, dass die Widerrufsfrist durch die fehlerhafte Angabe zur Vorfälligkeitsentschädigung nicht in Lauf gesetzt wurde. In dieser Hinsicht hat der BGH den Widerrufsjoker deutlich gestutzt“, so Rechtsanwalt Jansen.
Im Grunde war es in dem Verfahren vor dem BGH ursprünglich um den Widerrufsjoker gegangen. Ein Verbraucher hatte zur Finanzierung eines Autokaufs im März 2016 einen Kreditvertrag bei der Bank abgeschlossen. Der Vertrag enthielt u.a. Angaben zur Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung.
Im August 2017 erklärte der Verbraucher den Widerruf des Darlehens. Der Widerruf sei rund eineinhalb Jahre nach Vertragsschluss noch möglich, da die Angaben der Bank zur Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung falsch seien und die Widerrufsfrist deshalb nie in Lauf gesetzt wurde, argumentierte er.
Wie schon die Vorinstanzen entschied der BGH, dass die falsche Angabe zur Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung keinen Einfluss auf die Widerrufsfrist habe. Die erteilte Widerrufsbelehrung sei durch die fehlerhafte Angabe nicht unwirksam geworden, so die Karlsruher Richter.
Allerdings sei der Anspruch der Bank auf eine Vorfälligkeitsentschädigung durch die Angabe einer falschen Berechnungsmethode endgültig erloschen und könne auch durch eine Nachbelehrung nicht wieder aufleben. Der Verlust dieses Anspruchs sei eine „anderweitige – wirksame, verhältnismäßige und abschreckende – Sanktion", führte der BGH aus und sieht die Vorgaben des Art. 23 der Verbraucherkreditlinie als erfüllt an.
„Das Urteil des BGH hat zwei Konsequenzen“, sagt Rechtsanwalt Jansen. „Einerseits ist der Widerruf erschwert, da sich Verbraucher nicht auf die falsche Berechnungsmethode stützen können. Andererseits sollten Verbraucher, die ihr Darlehen vorzeitig ablösen möchten, prüfen, ob sie sich die Zahlung einer Vorfälligkeitsentschädigung sparen können, weil die Bank sie falsch informiert hat.“
Markus Jansen